Genügt das Velowegnetz in der Region?

Mit dem allgemeinen Veloboom und immer mehr elektrounterstützten Fahrrädern, wird das Velo auch im Engadin zunehmend im Alltagsverkehr eingesetzt, sei es um zur Arbeit, zur Schule oder zum Einkaufen zu fahren. Genügt das aktuelle Velowegnetz punkto Sicherheit und Attraktivität den Ansprüchen?

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Die Umfrage läuft vom 27.04.2024 bis 27.04.2024

Wer im Oberengadin Biketouren unternehmen will, findet mittlerweile unbestritten ein gutes Angebot an attraktiven Trails vor. Ebenso unbestritten ist allerdings, dass es für Leute, die ihr Velo als Alltagsgefährt nutzen, auch noch einige Lücken gibt.
Grossrat Martin Binkert (Die Mitte, Oberengadin) ist die fehlende Umsetzung des Veloweggesetzes ein Dorn im Auge. In einer Anfrage an die Regierung im Februar dieses Jahres gab er zu bedenken, dass das 2018 von den Schweizer Stimmberechtigten angenommene Veloweggesetz seit dem 1. Januar dieses Jahres in Kraft ist. Die mit dem Gesetz verbundenen Verbesserungen sollen ein gutes und sicheres Velowegnetz schaffen und den Verkehr entflechten. Qualitätsmerkmale sind zum Beispiel: zusammenhängend, direkt, sicher und attraktiv. «Im Engadin und in anderen Talschaften des Kantons fehlen bis heute Velowegnetze, welche den Qualitätszielen entsprechen», schreibt Binkert in seiner Anfrage.

Veloboom führt zu mehr Konflikten
Der Oberengadiner Grossrat nennt auf Anfrage zwei Gründe, die ihn zu dieser Anfrage motiviert haben. Der gestiegene Veloboom im Engadin, welcher nicht selten zu gefährlichen Begegnungen zwischen Velofahrerinnen und Fussgängern oder Autofahrerinnen und Velofahrern führt, und die seit Ewigkeit fehlende Velowegverbindung von Maloja bis Samedan, welche nicht nur Mountainbikespezia­listen vorbehalten ist.
In seiner Anfrage wollte Binkert unter anderem wissen, wie der Planungshorizont für ein durchgängiges Velowegnetz im Kanton Graubünden ist und ob die Regierung bereit ist, dieses Thema nicht nur im Alltagsverkehr sondern auch im Tourismusverkehr zügig anzugehen und eine Prioritätenliste der zu planenden und umzusetzenden Velowege zu erarbeiten.

Noch keine Gespräche im Engadin
In ihrer Antwort schreibt die Regierung, dass der Langsamverkehr zu den Gemeinde-Aufgaben zählt und diese demzufolge das Velonetz für den Alltags- und Freizeitverkehr realisieren und optimieren müssen, während der Kanton den Bau des kantonalen Velonetzes mit Beiträgen fördert. Weiter verweist die Regierung auf die Antwort zu einem früheren Auftrag in dem sie sich bereit erklärt hat, im Auftrag der Gemeinden die Projektierung und den Bau federführend zu übernehmen. Mit Hilfe eines stärkeren finanziellen Anreizes soll die Realisierung des Velonetzes für den Alltagsverkehr vorangetrieben werden. «Für die Gemeinden haben sich die Rahmenbedingungen deutlich verbessert», hält die Regierung fest. Das Tiefbauamt als kantonale Fachstelle für den Langsamverkehr habe darum auch schon verschiedene Gemeinden kontaktiert und Vorgespräche für eine allfällige Projektplanung geführt. Konkret wird beispielsweise mit der Gemeinde Davos ein Konzept für den Velo- und Fussverkehr erarbeitet. Und im Oberengadin? «Da sind entsprechende Gespräche mit den Gemeinden und der Region in Vorbereitung», heisst es dazu beim Kanton.

Alltags-Grundnetz fehlt
Diese Antwort erstaunt Martin Binkert aus zwei Gründen. «Erstens bin ich über die Aussage verwundert, dass die Gespräche mit der Region Engadin und den Gemeinden erst in Vorbereitung sind und nicht schon lange stattgefunden haben. Zweitens dass keine Aussagen über den Planungshorizont entlang des Hauptstrassennetzes von Maloja bis mindestens Champfèr gemacht wird.» Insbesondere da das Alltags-Grundnetz gemäss dem kantonalen Sachplan Velo auf dieser Strecke komplett fehle und das Alltags Ergänzungsnetz entlang der stark befahrenen Hauptstrasse aufgeführt werde.
Ein Blick in den Sachplan Velo auf der Homepage des kantonalen Tiefbauamtes zeigt, dass in der Region vor allem im Bereich des Alltagsverkehrs teils erhebliche Lücken bestehen, respektive Velofahrer mangels Alternativen auf die stark befahrene und teils schmale Hauptstrasse ausweichen müssen. Ein Beispiel ist die Verbindung am südlichen Ufer des Silsersees zwischen Isola und Sils, die zwar schon lange diskutiert, wegen unterschiedlichen Auffassungen aber noch weit von einer Umsetzung entfernt ist. Oder der Weg, der parallel zur Via Grevas entlang des St. Moritzersees führt. Dieser ist in der Hochsaison von Fussgängern und Velofahrern sehr stark frequentiert, was immer wieder zu Konflikten führen kann.
Die Anfrage von Grossrat Martin Binkert wird voraussichtlich in der kommenden Juni-Session behandelt. Er will dort seine Argumente vorbringen und wird wahrscheinlich Diskussion verlangen. «Ich denke, dass es auch anderen zu langsam vorwärtsgeht und der Kanton die Verantwortung nicht mehr nur auf die Gemeinden abschieben kann», sagt er. Ob er nachher weitere Schritte unternehmen will, hängt gemäss Binkert vom Zeitplan und den Gesprächen mit der Region ab.

Schwachstellen erkannt
Im Regionalen Richtplan der Region Maloja sind beim Wegekonzept Langsamverkehr verschiedene Schwachstellen aufgeführt, unter anderem auch die Radverbindung zwischen Silvaplana und Maloja. Dort soll im Rahmen des Ausbaus der Malojastrasse ein Radstreifen (Silvaplana – Sils) respektive ein Radstreifen oder Radweg (Sils – Maloja) entstehen. Beide Vorhaben sind mit dem Planungsstand «Festsetzung» gekennzeichnet. Das heisst, die Koordination ist so weit erfolgt, dass einer Umsetzung keine projektausschliessenden Faktoren entgegenstehen, die Machbarkeit ist grob geklärt und die Interessenabwägung im positiven Sinn abgeschlossen.

Mehr Infos zum Sachplan Velo auf www.gr.ch
(Institutionen/Verwaltung/Tiefbauamt)

Autor: Reto Stifel

Foto: Daniel Zaugg