Engadiner Post: Sabina Cloesters, sind Sie zufrieden?

Sabina Cloesters: Ja. Mit dem diesjährigen Theater bin ich sogar sehr zufrieden.

Das klingt euphorisch. Was war anders als in den letzten Jahren?

Ich hatte eine Hassliebe zu diesem Stück. Ich war mehrmals kurz davor, das ganze Manuskript wegzuwerfen, aber irgendwie habe ich es nicht übers Herz gebracht, mich davon zu trennen, und im Weiteren haben wir dieses Jahr auf die Festwirtschaft verzichtet.

Kommen wir zunächst auf das Theaterstück. Der Gemeindesaal war bei jeder Aufführung ausverkauft, und selbst am Sonntag, bei der letzten Vorstellung, war er bis auf den letzten Platz besetzt. Wie erklären Sie sich das?

Ich glaube, dass unsere Stücke sehr gut durchdacht und auf die Schauspielerinnen und Schauspieler zugeschnitten sind, und da ich die Stücke selbst schreibe, kann ich auch auf lokale Situationen eingehen. Das kommt beim lokalen Publikum sehr gut an.

Der Titel des diesjährigen Stückes «Für immer und ewig und no länger» verrät es. Sie haben sich an die Märchenwelt gehalten. Sind Märchen überhaupt noch zeitgemäss?

Genau diese Frage habe ich mir auch gestellt, als ich das Thema für mein Theaterstück ausgewählt habe. Zugegeben, Märchen sind heute vielleicht nicht mehr zeitgemäss, aber die ursprünglichen Botschaften, die diese Märchen vermitteln, sind, davon bin ich überzeugt, auch heute noch anwendbar. Und für ein Theaterstück funktioniert es, wie wir in den letzten vier Aufführungen erleben durften.

Sie sprachen von einer Hassliebe zum diesjährigen Stück und davon, dass die Vorbereitungen jedes Mal eine Knochenarbeit seien. Warum tun Sie sich das an?

Das frage ich mich auch. Jedes Jahr aufs Neue. Aber wenn man am Ende das Ergebnis sieht, die Freude der Theatergruppe, die Freude der vielen Helferinnen und Helfer und den Applaus des begeisterten Publikums erntet, dann weiss man jedes Mal, dass sich die ganze Arbeit gelohnt hat. Diese Freude, die ich jeweils spüre, ist für mich der Treibstoff, um auch im nächsten Jahr wieder mit vollem Einsatz dabei zu sein.

Sie können sich auf ein seit Jahren eingespieltes Team verlassen. Das ist schon fast eine Familie. Haben interessierte Laienschauspieler und -schauspielerinnen eine Chance, bei Ihnen aufgenommen zu werden?

Natürlich, und ich würde mich sehr über neue Mitglieder freuen. Aber leider ist es im Amateurtheater immer so. Am Anfang sind alle euphorisch und versprechen mitzumachen und sobald es konkret wird, machen die meisten einen Rückzieher. Bei meiner Truppe weiss ich, was ich habe. Sie sind immer zu 100 Prozent dabei. Und mittlerweile kenne ich ihre Stärken und Schwächen und kann gut mit ihren «Mödeli» umgehen, das macht vieles einfacher in der Verteilung der Rollen.

Der Theaterverein Celerina spielt seit Jahren Schwänke, im Fachjargon «Schen­kelklopfer» genannt. Trauen Sie sich und Ihrer Truppe nichts Anspruchsvolleres zu?

Doch, das traue ich Ihnen durchaus zu, und es würde mich auch reizen, einmal ein schwierigeres Stück zu spielen, ein Drama zum Beispiel. Aber da wir immer im grauen, dunklen November spielen, merke ich einfach, dass sich die Leute über diese einfachen, unterhaltsamen Stücke freuen. Und ich glaube, dass unser Publikum, unser Zielpublikum, mit unserem Programm wirklich zufrieden ist und sich gerne einen Abend lang auf die Schenkel klopft und seine Sorgen vergessen kann.

Die Stücke, die Sie aufführen, schreiben Sie selbst, und zwei Ihrer Stücke wurden sogar von einem Verlag ins Programm aufgenommen. Woher nehmen Sie die Ideen?

Ich hole mir meine Ideen aus dem Alltag. Mein grosses Vorbild ist Emil Steinberger. Er ist für mich ein Meister in der Umsetzung von lustigen Alltagssitua­tionen. Ich gehe durch den Tag und schreibe mir Situationen auf, die mir passieren oder die ich beobachte und überlege mir, ob das in einem Theaterstück passieren könnte. Und all diese Erlebnisse und Eindrücke sind für mich Inspiration pur.

Theater spielen bedeutet zwangsläufig auswendig lernen. Wie sehr mussten Sie den Schauspielerinnen und Schauspie­lern auf die Füsse treten?

Das ist eine gute Frage. Wir haben dieses Jahr etwas Neues gewagt. Ich bin sozusagen ein Wagnis eingegangen und wir haben dieses Stück in sieben Wochen auf die Bühne gebracht. Zugegeben, das war sehr sportlich, aber ich habe in den letzten Jahren gemerkt, dass ein gewisser Druck da sein muss, damit der Text endlich sitzt. Und das Experiment hat funktioniert. Noch nie sass der Text so schnell wie in diesem Jahr. Wie heisst es so schön: «Unter Druck entstehen Diamanten.»

Seit Jahren setzt der Theaterverein auf die Kombination aus Gesang, Theater und anschliessender musikalischer Unterhaltung. In diesem Jahr wurde darauf verzichtet. Warum?

Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen ist es immer schwieriger geworden, Helferinnen und Helfer zu finden, die uns bei der Bewirtung unterstützen, und zum anderen hat sich nach der Pandemie das Verhalten des Publikums meiner Meinung nach verändert. Sie kommen zur Vorführung, gehen aber danach gerne wieder nach Hause. Die rauschenden Abende von früher sind leider vorbei und der Aufwand für unseren Theaterverein ist in den letzten Jahren einfach zu gross geworden. Man darf auch nicht vergessen, dass viele Vereinsmitglieder noch andere Aufgaben hinter der Bühne haben. Sei es als Platzanweiserin, als Helfer bei der Gestaltung des Bühnenbildes, als Friseurin und Maskenbildnerin, die Souffleuse kommt aus unseren Reihen und es braucht Helferinnen, die jeweils eine Stunde vor der Aufführung für die Bewirtung zuständig sind. (Überlegt) Nach vier Aufführungen kann ich sagen, dass es die richtige Entscheidung war.

Nach dem Theater ist vor dem Theater. Was darf das Publikum im kommenden Jahr von Ihrem eingespielten und verlässlichen Ensemble erwarten?

Vor vier Wochen hätte ich gesagt, ich mache eine Pause. Aber jetzt, nachdem ich darüber geschlafen habe und an all die schönen Momente denke, merke ich, dass dieses Feuer einfach nicht erlöschen will. Für nächstes Jahr habe ich tatsächlich schon eine Idee, aber sie ist noch nicht so weit gereift, dass ich etwas darüber verraten möchte.

Was macht Sabina Cloesters in den nächsten zwei Wochen?

Ich würde gerne eine kleine Pause einlegen, aber daraus wird leider nichts. Neben meinem Hobby wartet der Berufsalltag auf mich. Für die nächsten Tage darf ich an eine Messe nach Basel fahren und danach freue ich mich auf das Theater in S-chanf, wo ich als Schauspielerin mitwirken darf.