Jesús Molina, im vergangenen Sommer waren Sie im Rahmen des Festival da Jazz das erste Mal im Engadin. Dieses Jahr gibt es gleich zwei Konzerte von Ihnen in der Region?

Ja, im vergangenen Sommer habe ich in St. Moritz ein Konzert gegeben – und der Ort hat mich begeistert. Jetzt wurde ich zu den Osterfestspielen in Pont­resina eingeladen und im Sommer bin ich erneut hier. Ich freue mich darauf.

Ein Blick auf den Plan Ihrer Konzerttour dieses Jahr zeigt, dass Sie überall auf der Welt auftreten, von Dubai bis New York. Was reizt Sie daran, in einem so intimen Rahmen wie im Hotel Walther in Pontresina ein Konzert zu geben?

Es ist schön, in so einem intimen Rahmen für so wunderbare Menschen spielen zu können. Normalerweise spiele ich nicht am Geburtstag meiner Frau, der am 19. April ist. Doch die Organisatoren des Festival da Jazz überzeugten mich, meine Frau und unsere zweijährige Tochter mitzubringen. Also stimmte ich zu. Wir leben in Los Angeles, und da die Reise für unsere Tochter zu weit gewesen wäre, geniesst sie nun die ganze Aufmerksamkeit der Familie in Kolumbien, während wir als Paar nach dem Aufenthalt in Pontresina noch ein paar Ferientage in Italien und Griechenland anhängen. Danach geht es für mich weiter nach Abu Dhabi, wo ich an einem internationalen Jazz-Summit auftrete. 

Apropos Familie: Sie sind der erste professionelle Musiker in Ihrer Familie. Wie begann Ihre Karriere?

Das war eine göttliche Fügung. Ich stamme aus einer gläubigen Familie. Noch bevor ich geboren wurde, sprach Gott zu meiner Mutter und sagte ihr voraus, dass sie einen sehr talentierten Sohn haben würde, der die ganze Welt bereist. Meine Eltern sind beide Anwälte, keine Musiker. Ich wuchs in Kolumbien auf, einem Land, das nichts mit Jazz zu tun hat. Als ich vier Jahre alt war, schenkte mir meine Mutter ein kleines Keyboard und mein erstes Lied war Happy Birthday. Mein Talent wurde von Anfang an gefördert. Meine Karriere ist das Resultat von Eltern, die mich unterstützt haben. 

Würden Sie Ihr angeborenes Talent als Gabe Gottes bezeichnen?

Ja, mein Talent ist zu 100 Prozent eine Gabe Gottes. Es kommt weder aus meiner Familie noch aus meinem Umfeld, es war ein Geschenk Gottes.

Haben Sie eine Botschaft an die Zuhörerschaft, wenn Sie Musik machen?

Ja, ich möchte den Genuss und die Freude, die mir die Musik bereitet, mit den Menschen teilen. Ich bin eine fröhliche Person, jemand, der sehr dankbar für das Leben ist. Ich möchte dieses Gefühl weitergeben. Und ich möchte dabei stets mich selbst bleiben dürfen, damit die wahre Essenz meiner Musik erhalten bleibt.

Warum haben Sie sich für das Genre Jazz entschieden?

Ich habe mich in Jazz verliebt, weil mich dieses Musikgenre herausfordert, weil ich dort meine Komfortzone verlassen muss. Und weil ich mit Jazz so viele Emotionen vermitteln kann.

Gab es Vorbilder, denen Sie zunächst nachgeeifert haben, bevor Sie Ihren eigenen Stil entwickelt haben?

Ich wollte immer meinen eigenen Stil entwickeln. Natürlich hatte auch ich meine Bezugspunkte, zum Beispiel die amerikanischen Jazzpianisten Chick Corea oder Erroll Garner. Ich habe sie aber nicht nachgeahmt, sondern immer versucht, die Essenz ihres Spiels in mein eigenes Spiel einzugliedern. 

Wie würden Sie Ihre Art, Musik zu machen, beschreiben?

Mir gefällt es sehr, verschiedene Stile zu vermischen, von Latin Jazz bis Bebop, von Ragtime bis zu brasilianischen Klängen. Ich mache Musik als Einheit.

Sie sind Jahrgang 1996 und somit ein Kind der Generation Z. Inwiefern hat Sie das beeinflusst?

Ich gehöre der «Generation Youtube» an. Über Youtube habe ich auch den Jazz entdeckt. Ich habe mir die Stücke angehört, habe sie nachgespielt, immer und immer wieder. Ohne Youtube wäre ich nicht hier. Das Internet hat mich berühmt gemacht.

Sie sind auch in den sozialen Medien sehr aktiv. So unterrichten Sie sogar auf Ihrem Instagram-Kanal. Warum?

 Jazz wird nicht wie Pop konsumiert. Diese Musik ist sehr intellektuell, und ich möchte sie mehr Menschen nahebringen. Jazz fordert die Zuhörerinnen und Zuhörer, denn diese Musik spielt mit vielen Emotionen. Bei einem guten Musiker hört das Publikum, was zwischen der Musik und ihm geschieht. 

Was antworten Sie jenen, die sagen: Ich verstehe Jazzmusik nicht.

Wenn Jazz nicht verstanden wird, kann der Musiker nicht gut ausdrücken, was er beim spielen fühlt. Auf intellek­tueller Ebene muss man Jazz nicht verstehen, man muss ihn fühlen können. Und das geht nur, wenn der Musiker die Musik lebt.

Sie sind nicht nur Musiker, Sie singen seit einigen Jahren auch. Wie kam es dazu?

Ich habe 2020 angefangen, auch zu singen. Damit haben sich mir sehr viele Türen geöffnet. Ich werde weiterhin auch Platten herausgeben, auf denen ich singe, dies vor allem für Lateinamerika. Die Idee ist, all diese Qualitätsmusik so aufzubereiten, dass sie ein grosses Publikum erreichen kann. Ich singe vor allem Lieder auf Spanisch, singe aber auch auf Italienisch, Portugiesisch oder Englisch.

Wie bekannt sind Sie eigentlich in Ihrer Heimat Kolumbien?

Ehrlich gesagt werde ich in Kolumbien erst geschätzt, seit ich international bekannt bin. 

Sie feiern weltweit Erfolge, und dies mit 29 Jahren. Welche Ziele haben Sie für Ihre zukünftige Karriere?

Ich habe doch erst angefangen (lacht). Mein Ziel ist es, im Pop dasselbe zu erreichen, was ich im Jazz bereits erreicht habe. Ich möchte diese beiden musikalischen Welten kombinieren. Ich bin ein Botschafter des Jazz und möchte dieses Genre populärer machen. 

Mehr zu Jesús Molina und seiner Musik: www.jesusmolina.org