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Im letzten Herbst ist mein erster Roman erschienen. «Tod im Val Fex». Für mich immer noch unglaublich. Fast schon surreal. Und dennoch: tatsächlich, greifbar. Greifbar und in verschiedenen Buchhandlungen erhältlich. Während der Vernissage im Hotel Waldhaus in Sils wurde mir dies in aller Deutlichkeit bewusst. Rund achtzig Personen warteten auf meine erste Lesung! Zum Glück hatte ich Unterstützung in einer für mich neuen Situation. Nach der Vernissage, beim obligaten Apéro eines solchen Anlasses, kam eine ältere Dame auf mich zu. Lächelnd, Hornbrille, zurückgekämmtes graumeliertes Haar, farbige Kleidung, in der rechten Hand ein halbvolles Glas Prosecco in der linken mein Buch. Mein erster Gedanke: eine bekannte Autorin mit kritischen Fragen! «Stand es auf Ihrer Bucketlist, einmal im Leben einen Krimi zu schreiben?» Ich musste kurz überlegen. Mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet. «Nein.» Das stand definitiv nicht auf meiner Liste. «Wie sind Sie dann dazu gekommen dieses Buch zu schreiben?» Ich erzählte ihr, dass ich ursprünglich ein Wandertheater über den stillgelegten Steinbruch in der Val Fex schreiben wollte. Aus Gründen der Umsetzbarkeit wurde aber nichts daraus. Dafür entstand eine Kurzgeschichte, die sich innerhalb von zwei Jahren zum Krimi entwickelte. «Ich gratuliere Ihnen. Sie können schreiben.»Da waren sie wieder, diese drei Wörter: «Sie können schreiben». Ich hatte sie schon einmal gehört. Es waren die Worte meiner ersten Lektorin bei der Besprechung des noch unvollendeten Manuskriptes, bis dato ohne richtigen Titel. Wie meinte sie das? Kann ich schreiben, so wie ich auch Ski fahren kann? Ich komme mit den Skiern zwar jeden Hang hinunter, aber das reicht nicht aus, um am «Chuenisbergli» mit den Besten mithalten zu können. Sie merken, liebe Leserinnen und liebe Leser, ich zweifelte an meinen Fähigkeiten. Doch ihre Bemerkung half mir, denn es sind ja oftmals die kleinen Hinweise oder der leichte Schubs, den es braucht, um etwas Neues zu wagen oder Angefangenes weiterzuführen, ohne sich gross Gedanken über das Endprodukt zu machen. «Sie können schreiben.» Diese Worte klingen immer noch in meinen Ohren, obwohl der zweite Tipp der Lektorin noch viel wichtiger war: «Schreib weiter. Schreib einfach weiter. Schreib einfach!» Heute weiss ich, dass es sich gelohnt hat, einfach weiter einfach zu schreiben. Mein erster Krimi ist am 10. Oktober 2022 im Zytglogge-Verlag erschienen und die Verkäufe zeigen, dass sich ein Publikum für meine Schreibweise gefunden hat. Und ja, ich werde dranbleiben, ganz nach dem Zitat des deutschen Schriftstellers Gotthold Ephraim Lessing: «Schreibe, wie du redest, so schreibst du schön.»
Andrea Gutgsell
Andrea Gutgsell ist 1965 in Samedan geboren und aufgewachsen. Heute lebt er mit seiner Familie in Sils Maria. Als leidenschaftlicher Laienschauspieler und Moderator ist er immer wieder auf Engadiner Bühnen zu sehen. Heute arbeitet er als Pfändungsbeamter. Zum Schreiben ist er eher durch einen glücklichen Zufall gekommen. «Tod im Val Fex», erschienen im Zytglogge Verlag, ist sein erster Roman.
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