Foto: Unsplash/Adrian Motroc
Ich sitze vor dem Fenster in meiner Wohnung in der St. Galler Altstadt. Unten auf der Strasse vor dem Asialaden werden gerade palettenweise Currypaste, Misopaste und Sojasauce in den Laden gebracht, und der Müllwagen rumpelt durch die Strasse. Der Nebel zieht durch die Gasse, und die Regentropfen rinnen an der Fensterschreibe herunter. Da schweifen meine Gedanken doch gerne zurück zu den sonnigen Wintertagen im Engadin. Denn ich habe die letzten Wochen im Engadin verbracht und die Semesterferien auf der Piste genossen.
Hier also meine Gedanken zu den Wochen im vertrauten und doch veränderten Alltag im Familienheim. Sobald ich aus dem Zug ausgestiegen und in das wartende Auto der Eltern am Bahnhof eingestiegen bin, wurde ich in das Kindes-Ich zurückkatapultiert. Ich verabschiedete mich also von der Selbstbestimmung und der früherwachsenen Freiheit, die man hat, wenn man fernab der Eltern in einem eigenen Haushalt wohnt. Das Abendessen stand wieder pünktlich um 18:30 Uhr auf dem Tisch, und ich ging nicht aus dem Haus, ohne einmal ganz laut «Tschüüühüüs» durchs ganze Haus gerufen zu haben. Wenn ich dann doch einmal am Schreitisch sass und am Laptop arbeitete, wurde gefragt, was ich denn jetzt noch arbeiten müsste, und ob ich nicht doch noch ein bisschen an die Sonne gehen wolle, da ich die letzten Wochen ja sicherlich nur Nebel gesehen hätte. Und überhaupt, bleich sei ich ja auch, das sei ja alles gar nicht gesund. Und so vergingen die Tage und Wochen, ich lebte mich wieder in die Familienstrukturen ein und ja, wurde sogar ein bisschen braun im Gesicht.
Aber verstehen Sie mich nicht falsch, das klingt zwar jetzt so, als ob ich mich beklagen möchte, jedoch waren die Semesterferien zu Hause wie ein kostenloser Wellnessurlaub. Ich musste keinen einzigen Gedanken daran verschwenden, was ich kochen soll, wann ich einkaufen gehe oder wie ich den Badezimmerspiegelschrank reparieren kann. Jegliche Sorgen und Wünsche wurden mir von den Augen abgelesen, mein Lieblingskuchen wurde mindestens einmal gebacken und wenn ich ganz ehrlich bin: Was gibt es Schöneres, als am Abend dick eingekuschelt mit einer Tasse Tee auf dem Sofa zu sitzen und mit allen gemeinsam eine SRF-Serie zu schauen.
Diese kleinen Liebesbekundungen meiner Familie vermisse ich nun wieder, wenn ich in St. Gallen am Schreibtisch sitze. Denn eigentlich muss ich noch vor Ladenschluss in den Supermarkt, die Waschmaschine piepst, um mich daran zu erinnern, die nasse Wäsche nicht zu lange drinnen zu lassen und schlussendlich blinkt auch noch der Geschirrspüler, weil er Salz oder Klarspüler für sein weiteres Funktionieren benötigt.
Larissa Bassin
Larissa Bassin ist 25 Jahre alt und in La Punt Chamues-ch aufgewachsen. Die ehemalige Praktikantin der Engadiner Post studiert an der Universität St. Gallen Rechtswissenschaft mit Wirtschaftswissenschaften. Dabei entdeckte sie, dass sie wohl eher ein Stadtkind ist und schätzt das kulturelle Angebot, die Vielfalt der Menschen, die Anonymität, Abendverkäufe, das Nachtleben und kleine Cafés, die tatsächlich immer Hafermilch im Angebot haben. Nichtsdestotrotz zieht es sie gerade im Winter auf die Pisten, wofür sie die ein oder andere Vorlesung sausen lässt, oder sie wandert auf den Piz Mezzaun, wenn sie den Kopf lüften muss.
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