Gen-Z cancelt die Welt

Wenn es nach Wikipedia geht, gehöre ich mit Jahrgang 98 zur Generation Z. Falls Sie die Bezeichnung meiner Generation gerade auf Deutsch ausgesprochen haben, gehören Sie wohl nicht zur modernen und coolen «Gen-Z», die möglichst viele Wörter in deutschen Sätzen durch englische ersetzt, just because. Die Gen-Z hat eine bemerkenswerte Fähigkeit, durch soziale Medien und Online-Plattformen Dinge und Personen zu «canceln», die sie als problematisch oder unethisch betrachtet. Das Wort «canceln» stammt – logischerweise – aus dem Englischen und wird im Deutschen oft im Sinne von «abbrechen» oder «ausser Kraft setzen» verwendet. Postet eine prominente Person beispielsweise etwas Problematisches auf Instagram, wird sie gecancelt, man entfolgt dieser Person also. Wird bekannt, dass sich eine Firma nicht an Umweltstandards hält, wird nicht mehr dort eingekauft, und Donald Trump ist sowieso gecancelt. Das Ganze wird unter dem Begriff «Cancel Culture» zusammengefasst, einfach, oder? 
Auch modisch gesehen wurden bereits einige Kleidungsstücke von der Gen-Z gecancelt: Hemden und Blusen in die Hose stecken? Schnee von 1988. Enge T-Shirts und enge Jeans? Trägt man nicht mehr. Und der neueste Schlag: Weg mit den kurzen Socken. Während Millennials und ältere Generationen am liebsten Söcklinge tragen und diese feinsäuberlich in den Schuhen verschwinden lassen, zieht die Gen-Z neuerdings ihre Strümpfe raus aus den Sneakern, je höher desto besser. Ich hingegen liebe kurze Socken. Solche, die oben rauskommen, erinnern mich daran, wie meine Mutter mich als Kind angezogen hat, und wer findet das schon cool? Nun stehe ich also vor der Entscheidung, mit der Mode zu gehen oder den Sommer lang in kurzen Hosen von meinen Artgenossen als «alt» angesehen zu werden. Mit dem Entscheid lasse ich mir aber noch ein wenig Zeit, der Sommer tut es schliesslich auch...

j.schlatter@engadinerpost.ch