Foto: Larissa Bassin
Bei mir herrscht Ferienstimmung. Ich sitze in einem kleinen Strassencafé in Lissabon, die portugiesische Sonne scheint mir ins Gesicht und der Stress der Lernphase fällt langsam von mir ab. Ab und an schlürfe ich vom Hafermilch-Cappucino, der mir die Barista gerade zubereitet hat und geniesse die warmen Temperaturen. In meinen Händen halte ich das Buch, welches ich bereits seit Weihnachten auf der Leseliste habe, jedoch erst jetzt aus dem Regal genommen und in den Koffer gepackt habe. Zwischendurch unterbreche ich meine Lektüre, um meinen Blick über den Bücherrand zu heben und über die anderen Leute im Café schweifen zu lassen. Am Tisch vor mir sitzt ein junger Mann.
Er sitzt da und tut nichts. Auch er hat eine Kaffeetasse vor sich, die Jutetasche hängt über der Stuhllehne und der Platz ihm gegenüber scheint unbesetzt zu sein. Er trägt keine Kopfhörer und auch sonst liegt kein Handy oder Buch auf dem Tisch. Seine Fingerspitzen fahren langsam dem Muster des mosaikbesetzten Tisches nach und er blickt auf die gegenüberliegende Strassenseite, verfolgt mit seinen Augen einen Vogel, welcher langsam über die Dächer kreist und dann über den Häusern im Blau des Himmels verschwindet. Als dann die Strassenbahn ratternd um die Ecke biegt und an der Haltestelle direkt vor dem Café Leute ausspuckt und zischend und rumpelnd wieder losfährt, schaut er dieser nach, bis sie langsam schwankend wieder hinter der nächsten Häuserecke verschwindet. Danach schweift sein Blick zurück auf den Boden vor sich, er seine Finger fahren immer noch um die Mosaiksteinchen und sonst tut er einfach nichts.
Wann hatten Sie das letzte Mal Zeit für das reine Nichtstun? Wann hatten Sie nicht doch das Handy vor sich liegen, um allenfalls wichtige oder minder wichtige Nachrichten zu beantworten, haben einen Podcast oder Radio gehört, liessen den Fernseher im Hintergrund laufen, während sie im Multitasking-Modus noch die Wäsche zusammenfalteten und die Einkaufsliste schrieben? Auch mein Alltag rauscht meistens an mir vorbei und ich versuche so viel wie möglich in die 24 Stunden, die der Tag so mit sich bringt, zu packen. Wenn ich mal eine Verschnaufpause habe, fällt mir ein, dass ich doch noch zum Sport gehen oder meiner besten Freundin eine Sprachnachricht schicken könnte. Ständig bin ich in Bewegung streiche Dinge von meiner To-Do Liste und nur selten halte ich inne und tue einfach nichts.
Und während ich diesen Gedanken nachhänge, schweift mein Blick zur nächsten Strassenbahn, die gerade ratternd wieder anfährt. Ich schaue ihr nach, bis sie rumpelnd um die Häuserecke verschwindet, ich lasse mein Buch auf meinen Schoss senken und beobachte die beiden Hunde, die sich auf der gegenüberliegenden Seite gegenseitig beschnüffeln. Ich heb meinen Kopf weiter an, entlang der mit gemusterten Kacheln besetzte Häuserwand und da fällt mir auf: Ich tue einfach gerade nichts.
Larissa Bassin
Larissa Bassin ist 25 Jahre alt und in La Punt Chamues-ch aufgewachsen. Die ehemalige Praktikantin der Engadiner Post studiert an der Universität St. Gallen Rechtswissenschaft mit Wirtschaftswissenschaften. Dabei entdeckte sie, dass sie wohl eher ein Stadtkind ist und schätzt das kulturelle Angebot, die Vielfalt der Menschen, die Anonymität, Abendverkäufe, das Nachtleben und kleine Cafés, die tatsächlich immer Hafermilch im Angebot haben. Nichtsdestotrotz zieht es sie gerade im Winter auf die Pisten, wofür sie die ein oder andere Vorlesung sausen lässt, oder sie wandert auf den Piz Mezzaun, wenn sie den Kopf lüften muss.
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