Foto: Larissa Bassin
Vom gemütlichen Strassencafé in Lissabon wurde ich vor einigen Wochen direkt ins Büro einer Grosskanzlei im 32. Stock eines Hochhauses in Zürich West katapultiert. Die Sonne scheint durch die bodentiefen Fenster, der Computer surrt leise, und draussen auf dem Flur wird diskutiert, ob der M&A Deal nun abgeschlossen werden kann oder nicht. Meine Anzugsjacke zwickt ein bisschen um die rechte Schulter, meine Kolleg:innen tippen hinter mir wie wild auf ihren Tastaturen und auch ich klicke mich durch seitenlange Dokumente mit juristischem Blabla. Mittags stelle ich mich dann mit zehn anderen Leuten in Anzügen in den Lift, fahre die 32 Stockwerke hinunter und hole mir meine bestellte Poke-Bowl an der Rezeption ab, um sie draussen auf einem kleinen Fleckchen Wiese zu essen. Danach geht’s wieder mit dem Aufzug die Etagen hoch und es wird weiter getippt, diskutiert, analysiert und recherchiert und Kaffee getrunken. Das machen wir alle so lange, bis die Sonne immer weiter nach unten sinkt, die automatischen Rollläden hinunterfahren, einer nach dem anderen sich verabschiedet und ich so weiss, dass es Zeit ist, nach Hause zu gehen.
So vergehen die Tage meines Praktikums, wie auch der Sommer an mir vorbeirauscht. Natürlich beneide ich meine Freund:innen, die jetzt gerade irgendwo am Mittelmeer eine Sangria schlürfen, in tiefblauem Wasser schnorcheln, in der Bündner Bergwelt wandern oder mit dem Fahrrad durch die Provence radeln. Aber auch in Zürich ist der Sommer nicht inexistent und ich muss meine Sommerferien nur ein wenig suchen…
Nachdem die leeren Kaffeetassen in den Geschirrspüler geräumt, alle Tabs geschlossen und die letzten Mails verschickt sind, mach ich mich auf den Nachhauseweg. Die neuen glänzenden Ballerinas reiben an den Fersen, bis zwei riesige Blasen entstehen und das Laufen fast unmöglich machen. Ich bereue es, dass ich heute Morgen nicht doch die Blasenpflaster aufgeklebt habe, doch die letzten Meter beisse ich auf die Zähne, im Hausflur ziehe ich die schwarzen Lackschuhe aus und laufe barfuss die Holztreppe hinauf in die WG. Schnell packe ich meine Badsachen und die Sonnenbrille in eine Tasche und flitze auch gleich wieder hinunter, über die Strasse zur Limmat. Da wimmelt es nur so von Menschen, die genauso wie ich ihren Feierabend geniessen, ihre Füsse ins Wasser baumeln lassen, vom Holzsteg ins Wasser springen und sich von der Strömung bis zur nächsten Treppe treiben lassen. Ich setze mich nach der Abkühlung im Nass auf den Steg, halte mein Gesicht in die Sonne und nasche von den frischen Himbeeren, die ich auf dem Weg an einem Früchtestand ergattert habe.
Und siehe da, wenn ich die Augen schliesse, dem Rauschen des Flusses und den lachenden Kindern lausche, dann kommt es mir so vor, als hätte ich gerade kurze Miniferien am Mittelmeer. Es fehlt nur noch die Sangria…
Larissa Bassin
Larissa Bassin ist 25 Jahre alt und in La Punt Chamues-ch aufgewachsen. Die ehemalige Praktikantin der Engadiner Post studiert an der Universität St. Gallen Rechtswissenschaft mit Wirtschaftswissenschaften. Dabei entdeckte sie, dass sie wohl eher ein Stadtkind ist und schätzt das kulturelle Angebot, die Vielfalt der Menschen, die Anonymität, Abendverkäufe, das Nachtleben und kleine Cafés, die tatsächlich immer Hafermilch im Angebot haben. Nichtsdestotrotz zieht es sie gerade im Winter auf die Pisten, wofür sie die ein oder andere Vorlesung sausen lässt, oder sie wandert auf den Piz Mezzaun, wenn sie den Kopf lüften muss.
Diskutieren Sie mit
Login, um Kommentar zu schreiben