26.11.2024 Bibi Vaplan 2 min

Die romantische Liebe erhält in der Popmusik eine enorme Plattform. Sie spiegelt sich in Songs von Rihanna, Taylor Swift oder Ed Sheeran mit all ihren Facetten. Sie singen von Abhängigkeiten, suhlen sich in Liebesleid oder in Erfüllung der Zweisamkeit. Ich horche auf, wenn Stefanie Heinzmann singt: «Mein Mann ist ein böser Mann, aber er ist mein Mann.» Ich frage mich, wieso man mit einem bösen Mann das Bett teilen sollte. Ich wundere mich immer wieder über Aussagen in Popsongs und in letzter Zeit frage ich mich öfters, wieso niemand davon singt, dass die Monogamie auszusterben droht. 
 
Exklusive Zweierbeziehungen gibt es fast nicht mehr. Heutzutage sind mindestens drei und meistens vier Parteien an einer Beziehung beteiligt. Jeder Homo Sapiens bringt nämlich noch ein Smartphone mit in die Beziehung. So hat sich diese neue moderne Beziehungsform «Polytelemorie» entwickelt. Und sie stellt uns vor noch grössere Herausforderungen als Polyamorie oder eine offene Beziehung: Folgende Fragen drängen sich bei Zweisamkeit plötzlich in den Vordergrund: Wann darf das Smarthphone in der Nähe sein, auf laut gestellt, vibrierend oder im Flugmodus? Wann darf das klingende oder vibrierende Smarthphone Priorität haben, falls jemand eine Nachricht schickt, einen Post liked oder ein Email Probleme am Arbeitsplatz ankündigt? Darf man sich am Sonntag zu zweit auf der Couch ausbreiten und sich dem Universums des Smarthphones ohne Gewissensbisse hingeben? 
 
Wir leben schätzungsweise 90% unserer Zeit in poltelemoren Beziehungen. Die Ironie vom Smarthphone ist, dass es dafür gemacht wurde, zu verbinden. Wenn wir getrennt sind, erfüllt es seine Pflicht hervorragend. Allerdingst schafft das Smartphone bei physischer Nähe eine herausfordernde Distanz. Es würde mich wundern, wie Stefanie Heinzmann das in ihrem Song verarbeiten würde. Vielleicht: «Mein Phone ist ein böses Phone, aber es ist mein Phone.»

Bibi Vaplan

Bibi Vaplan (geboren 1979) ist im Engadin aufgewachsen. Das Klavierstudium an der Zürcher Hochschule der Künste schloss sie 2005 mit dem Lehrdiplom ab. Schon während des Studiums komponierte sie für Filme und Theater (u.a. für Vitus). Stilistische Grenzen waren schon immer ein willkommener Grund, über den Zaun zu schauen. Bibi Vaplans Konzerte und ihre mediale Präsenz, zum Beispiel im «Kulturplatz», bei «Glanz und Gloria» oder auf dem Traktor unterwegs für «Jeder Rappen zählt!» machten die Engadiner Künstlerin schweizweit bekannt. Ihr neuestes Projekt, die «Popcorn-Opera» startete am 6. November 2020.