Foto: Daniel Zaugg
Meldungen aus der Medienbranche lesen sich seit einiger Zeit wie Kapitel eines Untergangsepos, in dem es keine Gewinner, sondern nur Verlierer gibt. Viele Studien beschreiben eine Realität, die sich in immer neuen Sparrunden und Stellenabbau bei verschiedenen Medienhäusern widerspiegelt. Knapp die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer konsumiert kaum oder gar keine Nachrichten mehr. Bei vielen Journalistinnen und Journalisten ist die Stimmung angesichts ausgedünnter Redaktionen und des zunehmenden Leistungsdrucks für die verbliebenen Kolleginnen und Kollegen schlecht.
Was tun? Auf der Kostenseite anzusetzen, bedeutet für den Journalismus in erster Linie, mit noch weniger Ressourcen Medieninhalte zu erzeugen. Das aber geht zwangsläufig zu Lasten der Qualität. Oder wie es der frühere SRG-Generaldirektor Roger de Weck in seinem kürzlich erschienenen Buch «Das Prinzip ‹Trotzdem› – Warum wir den Journalismus vor den Medien retten müssen» schreibt: «Die Unabhängigkeit des Journalismus kollidiert heute immer heftiger mit der wirtschaftlichen Zwangslage vieler Medienhäuser. Die Faktenlage kann leiden, sobald mit Fake News Geld zu machen ist.»
Journalismus trägt eine gesellschaftliche Verantwortung. Erstens, wenn sich die Medienschaffenden dieser Verantwortung bewusst sind, und die Qualität als Leitprinzip betrachten. Zweitens, wenn die Redaktionen der Versuchung wiederstehen, ihr Angebot ausschliesslich auf die Nachfrage und die kurzfristigen Klicks auszurichten. Und drittens, wenn sie eine eigene Themen-Agenda bewirtschaften und sich nicht darauf beschränken, die vielen verfügbaren Inhalte mit einer Soft-Recherche möglichst attraktiv aufzubereiten oder sich nur noch auf die Abdeckung von Veranstaltungen zu beschränken.
Journalismus darf unbequem sein. Er soll unangenehme Fragen aufwerfen, Hintergründe kritisch beleuchten, Sachverhalte erklären, einordnen und kommentieren. Dafür braucht es Berufsleute, die für ihren Job brennen und die Regeln des Berufstandes kennen. Journalistische Qualitätsstandards gewährleisten eine verantwortungsvolle Berichterstattung. Diese sind in den «Richtlinien zur Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» des Schweizer Presserates festgehalten. Die «Wahrheitssuche» steht nicht zufällig an erster Stelle dieses Dokuments.
Die Medienfreiheit ist in Artikel 17 der Schweizerischen Bundesverfassung verankert. Wenn diese durch wirtschaftliche Zwänge gefährdet ist, muss auch dem Journalismus geholfen werden. Es reicht nicht aus, mantraartig zu betonen, dass eine funktionierende Demokratie auf unabhängige Berichterstattung angewiesen ist. Beispiele – vor allem aus nordischen Ländern – zeigen deutlich, dass die Förderung der Medien durch die öffentliche Hand keineswegs das Vertrauen in die Medien schwächt – im Gegenteil.
Gerade im Lokalen braucht es Redaktionen vor Ort, die über das berichten, was für kantonale und nationale Titel kein Thema mehr ist. Sie informieren Leserinnen und Leser über das Geschehen vor der Haustür, recherchieren und ordnen wichtige Geschäfte fundiert ein und berichten umfassend vor Abstimmungen und Wahlen. 2018 kam eine Studie des Politikwissenschaftlers Daniel Kübler zu dem Schluss, dass, je weniger die Medien über lokale Politik berichten, umso niedriger die Wahlbeteiligung in den Gemeinden ausfällt. «Die Krise des Lokaljournalismus bedroht die Demokratie», lautet eine seiner wesentlichen Schlussfolgerungen. Oder noch zugespitzter: Regionale und lokale Medien sind systemrelevant.
Die Redaktion der EP/PL ist in ihrem Gebiet präsent. Nicht von ungefähr lautet der Slogan: «Vertraut – verbunden – vor Ort.» Gestützt von einem Medienhaus, das an die Zukunft des Journalismus glaubt und diesen fördert, sind journalistische Qualität, Relevanz und eine eigene Themenagenda zentrale Pfeiler unserer täglichen Arbeit. Wir sind überzeugt: Es braucht den Journalismus mehr denn je.
Reto Stifel ist seit 2009 Chefredaktor der "Engadiner Post/Posta Ladina"
Redaktion Engadiner Post
Wie geht es auf einer Redaktion zu und her? Inbesondere an einem Produktionstag? Was macht ein Redaktor/eine Redaktorin den lieben langen Tag? Und was braucht es, von der Idee bis zum vollständigen Bericht in der Zeitung? Über diese und weitere Themen lesen Sie regelmässig im Redaktionsblog der «Engadiner Post/Posta Ladina».
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