Es gibt Menschen, denen vor einem mehrstündigen Opernbesuch grauen würde. Und es gibt Menschen, für die ein Eishockeyspiel so ziemlich das Letzte wäre, wofür sie sich freiwillig melden würden. Nun, ich gehöre zur zweiten Menschenart. Eishockey interessiert mich schlichtweg nicht. Doch als Journalistin bin ich mit einer gewissen Neugier ausgestattet und so stellte ich mich am Mittwochabend der Herausforderung, das Derby zwischen dem EHC St. Moritz und dem CdH Engiadina in der Eishalle Gurlaina in Scuol live mitzuverfolgen. Gelb gegen Blau also. 

Zugegeben, ich bin mit bestimmten Vorstellungen zum Spiel gegangen: Es ist ein grobes Spiel. Ich werde den Puck nicht sehen. Es wird kalt sein in der Eishalle. Um es vorweg zu nehmen: Genau so war es.

Ein Foul ist ein Foul oder auch nicht
Erste Spielzeit: Gemeinsam mit 300 Fans sitze ich auf der Tribüne und sehe zu, wie die Spieler trotz umfangreicher Montur elegant aufs Eis gleiten. Ich stelle fest, dass Eishockey eine Familienangelegenheit zu sein scheint. Im Publikum sind Kinder, Jugendliche, Erwachsene allen Alters. Auf dem Feld gibt es gleich mehrere Spieler mit dem gleichen Nachnamen. Den Spielanfang verpasse ich natürlich beim Beobachten des Publikums. Und auch das erste Tor findet ohne mich statt. Dieses Spiel ist einfach zu schnell. Die Übersicht über die Spieler zu bewahren, ist mir unmöglich, da sie ständig wechseln. 

Die ersten 20 Minuten sind schnell vorbei. Drei Erkenntnisse nehme ich daraus mit. Erstens: Man kann auch in der Unterzahl locker ein Goal schiessen. Zweitens: Ein Foul ist nur ein Foul, wenn der Schiedsrichter ihn als Foul einstuft - auch wenn alle anderen den Foul deutlich gesehen haben. Und drittens: Ah, ueeeei und dai gehören zum O-Ton im Publikum einfach dazu. 

Hat sich jemand verletzt?
Im zweiten Drittel will ich ein bisschen näher ans Geschehen. Vielleicht sehe ich dann den Puck? Kollege Nic Bass - ein echter Eishockey-Fan und meine Rettung, um das Spiel wenigstens ansatzweise zu verstehen - bringt mich hinter die Bande gleich beim Goal der St. Moritzer. Eine schlechte Idee. Bei jedem Puck, der in unsere Richtung fliegt und mit voller Wucht an die Bande kracht, weiche ich zurück, bei jedem Check unter den Männern, zucke ich zusammen. Hat sich jemand verletzt? Diese Frage beschäftigt mich wesentlich mehr, als der Spielverlauf. 

Die drei Erkenntnisse der zweiten Halbzeit: Das Hirschgeweih im Gewölbe in der Mitte der Eishalle ist keine Dekoration. Es ist das Statement, dass die Unterengadiner die Platzhirsche sind. Zweitens: Je länger das Spiel dauert, desto grober werden die Spieler. Und drittens: Jeder Goalie hat vor dem Spiel seine Rituale, zum Beispiel Schwimmbewegungen auf dem Eis (ja, ich war auch überrascht). 

Es braucht viele helfende Hände
Zwischen den Spielen gibt es immer eine Viertelstunde Pause. Entsprechend durchgefroren bin ich, als die dritte Spielzeit beginnt. Und so werde ich gnädigerweise in die Speakerbox gebracht. Hier sitzen neben dem Speaker noch der DJ, der für Stimmung sorgen soll, eine Art Resultate-Erfasser am Laptop und eine Dame, welche die Zahlen für die Spieluhr eintippt. Es ist wohlig warm im kleinen Raum und die Sicht ist auch super. Hier sehe ich auch, dass der Schiedsrichter bei jedem Foul - und es sind viele - eine andere Körperbewegung für die Personen im Häuschen macht. Die Bedeutung der Arm- und Handzeichen ist auf einer Tabelle mit Zahlen aufgeführt. Spannend.

Die dritte Spielzeit bringt folgende Erkenntnisse: Innert kürzester Zeit kann sich das Blatt für eine Mannschaft wenden. Es braucht viele helfende Hände hinter den Kulissen für so ein Derby. Drittens: Die sonst eher reservierten Unterengadiner werden nach drei Spielrunden und der Aussicht knapp zu verlieren richtig emotional.

Schnelligkeit und Mannschaftsgeist
Nun wollte ich aber doch noch wissen, was die Faszination fürs Eishockey ausmacht. Meine kleine Umfrage bei Fans, Spielern und Helferinnen zeigt, dass es eine Mischung aus Schnelligkeit, Mannschaftsgeist und Action ist. Einen Tipp habe ich noch für Eishockey-Novizinnen: Betreten Sie nie, niemals eine Umkleidekabine nach einem Derby-Spiel. Man riecht jeden Check, jede Attacke und jede Niederlage. 

Nun denn, ich habe meinen Auftrag somit ausgeführt. Und freue mich sehr auf den nächsten Opernbesuch.