Als Peter Robert Berry II im Jahr 1942 im Alter von 78 Jahren stirbt, ist Alexander Ernst Kluge gerade einmal zehn. Heute verbindet eine aktuelle, moderne Ausstellung im Berry Museum Geschichte mit Gegenwart, Tradition mit Innovation und Alexander Kluges künstlerische Auseinandersetzung mit bisher weitestgehend unbekannten Werken des St. Moritzer Malers Peter Robert Berry II. Eine kluge Sache.
Der Titel der Jubiläumsausstellung «Kluge-Berry-Werkstatt» darf angesichts der Tiefe und Dichte der Exponate denn durchaus als passendes Wortspiel aufgefasst werden. Ausgehend vom grossformatigen Werk «Aurora, die Morgenröte», welches Peter Robert Berry II 1907 mit gehörig viel Pathos gemalt hat und welches Alexander Kluge im letzten Sommer bei einem Besuch in St. Moritz im Depot des Museums entdeckte, vertieft sich Kluge in seiner «Werkstatt» in weitestgehend unbekannte Werke von Berry II. Der deutsche Filmemacher, Fernsehproduzent, Schriftsteller, Drehbuchautor und bildende Künstler interpretiert mithilfe digitaler Instrumente, darunter auch künstlicher Intelligenz, Berrys künstlerisches Erbe neu und setzt dieses mit tiefgründigen digitalen Kommentaren, bildnerischen Abwandlungen und ausschweifenden Texten in einen sowohl zeithistorischen wie auch kulturwissenschaftlichen Kontext.
Tiefe Einblicke in das Werk Berrys
«Alexander Kluge», so die neue Museumsdirektorin und -intendantin Cornelia Schwab, «erweitert den Kontext der Werke von Peter Robert Berry II, er macht Kontextualisierungen, schafft kunsthistorische Bezüge und ordnet dessen Werk neu ein.» Dazu setzt Alexander Kluge acht Bildschirme mit ebensovielen thematischen Bezügen dem Werk Berrys gegenüber und vertieft diese an einem runden Tisch unter Einsatz von sechs iPads. «Hier taucht Kluge sehr tief in den kulturhistorischen Kanon Berrys ein», so Cornelia Schwab.
Ferner prägen zwei gänzlich gegensätzlich anmutende Nischen die Ausstellung. In der einen dunkel ausgekleideten Nische setzt Kluge künstlerische Inhalte Berrys in Bezug zu zerstörerischem Kriegswerkzeug, beispielsweise das von Berry oft und gerne gemalte Pferd – «Das Staunen der Tiere» – und dessen qualvolle Rolle in kriegerischen Konflikten. Gleich daneben blendet eine weisse, hell beleuchtete und von zahlreichen Videoinstallationen bespielte Nische die Besucher in eine Art schmerzliches Kontrastprogramm. In diesem Lichtermeer transformiert Kluge das Werk von Berry II in die Gegenwart und nimmt, bewusst oder unbewusst, wohl auch Bezug zur ebenfalls noch bis nach Ostern laufenden Gemeinschaftsausstellung «Splendur e sumbriva – Licht und Schatten im Engadin», von welchem auch das Berry Museum Teil ist. «Alexander Kluge zeigt hier auf, dass das, was Peter Robert Berry II zu seiner Zeit gemalt hat, kein Zufall ist, sondern eine Spiegelung der Zeit war, in der Berry gelebt hat», so Cornelia Schwab.
Abwesend und dennoch da
Zur Vorpremiere der Ausstellung für geladene Gäste Ende Dezember konnte der 92-jährige Alexander Kluge aus gesundheitlichen Gründen nicht persönlich anreisen. Er liess es sich aber nicht nehmen, sich aus München online zum Gespräch mit Cornelia Schwab und Peter Robert Berry IV zuzuschalten. Medial gewandt führte er via Stream durch die Ausstellung und sagte unter anderem, dass sein Blick auf das Werk Berrys wie durch den Sucher einer virtuellen Kamera zu verstehen sei. Er zeige damit, so Kluge, was man eigentlich nicht sehen könne, was aber im Narrativ des Museums und in der Abbildung und kontinuierlichen Weitererzählung der Berry’schen Familiengeschichte von 1793 bis heute eben trotzdem wirklich und real sei.
Wer sich eingehend mit Leben und Werk von Peter Robert Berry II und dessen digitaler Interpretation durch Alexander Kluge auseinandersetzten will, der oder die wird wohl nicht umhinkommen, die Jubiläumsausstellung mehr als einmal zu besuchen. Zeit genug bleibt allemal.
Die Ausstellung «Kluge-Berry-Werkstatt» im Berry Museum in St. Moritz-Dorf dauert noch bis zum 25. April. Weiterführende Informationen unter: www.berrymuseum.com
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