Felix Birchler, diese Woche findet die erste Bündner Aktionswoche gegen Rassismus statt. Wie kam es dazu?

Seit 2022 gibt es die Beratungsstelle gegen Rassismus Graubünden. Bisher lag unser Fokus auf der Beratung von Opfern und Angehörigen. Inzwischen hat sich die Beratungsstelle etabliert. Schon früh haben wir viele Anfragen von Schulen und Arbeitgebern erhalten, welche den hohen Bedarf an Workshops und Informationen gezeigt haben. Wir wollen nicht nur Beratungsstelle sein, sondern die Ausein­andersetzung mit dem Thema Rassis­mus öffentlich machen und Sensibilisierungsarbeit leisten. 

Insgesamt 22 Veranstaltungen zum Thema Rassismus finden diese Woche statt. Der Grossteil davon in Chur sowie in Davos. Warum ist das Engadin nicht dabei?

Diese erste Ausgabe ist ein Pilotlauf. Bei der Ausschreibung haben wir primär Projekte im Raum Chur gesucht. Das hängt damit zusammen, dass diese kurzfristig organisiert wurden. Wir wussten auch nicht, wie gross der Rücklauf sein würde. Dass so viele Projekte eingereicht wurden, ist eine grosse Bestätigung für uns. Die Zeit war reif für eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Ab nächstes Jahr sollen alle Regionen in die Aktionswoche integriert werden. Das ist uns ein zentrales Anliegen. 

Wie erleben Sie die Situation in Graubünden, was das Thema Rassismus anbelangt?

Im Kanton Graubünden weckt das Thema Antisemitismus in regelmässigen Abständen die Aufmerksamkeit von Öffentlichkeit und Medien. Beim Alltagsrassismus ist die Situation im Kanton Graubünden hingegen nicht wesentlich anders als in anderen Kantonen.

Stellen Sie eine Zunahme an gemeldeten Rassismus-Fällen fest?

2022 hatten wir neun Meldungen und im vergangenen Jahr waren es 17, also fast eine Verdoppelung. Natürlich ist das aber noch immer eine sehr kleine Zahl, wenn in Umfragen jeder Siebte angibt, schon Rassismus erlebt zu haben. Der Prozess bis sich jemand meldet, dauert sehr lange. Die Zunahme der gemeldeten Fälle hängt mit dem Bekanntwerden der Fachstelle und mit dem zunehmenden Vertrauen in die Beratungsstelle zusammen. 

Rassismus und Diskriminierung scheinen auf globaler Ebene so aktuell wie lange nicht mehr zu sein. Sind die Menschen, die zu Ihnen kommen, besorgt?

Die grossen öffentlichen Diskussionen haben keinen direkten Zusammenhang mit unseren Beratungen. In der Regel beraten wir die Menschen zu sehr persönlichen Situationen. Eine Ausnahme sind rassistische Beleidigungen, die online stattfinden. Im Onlinebereich gibt es eine stärkere Verknüpfung zwischen globaler Diskussion und persönlichen Meldungen. 

Wie kann man im Alltagsleben gegen Rassismus vorgehen?

Ist man Zeuge einer rassistischen Tat, sollte man dem Opfer beistehen und signalisieren, dass diese Situation nicht in Ordnung ist und man auf dessen oder deren Seite steht. Gemeinsam mit dieser Person kann man dann überlegen, wie sie sich wehren kann.

Und wie kann man sich wehren?

Es kommt drauf an, was geschehen ist. Man kann die handelnde Person darauf hinweisen, dass sie das Opfer verletzt hat und sie damit aufhören soll. Je nachdem, wie gravierend der Fall ist, stehen wir als Beratungsstelle zur Verfügung, oder man kann eine Anzeige bei der Polizei machen. Bei persönlichen Geschichten ist Rassismus häufig nur ein Teil der Problematik, zum Beispiel bei Konflikten in der Nachbarschaft. 

Wie wirkt man Vorurteilen entgegen?

Das ist eine gute Frage. Jeder Mensch trägt Vorurteile in sich. Daran muss man arbeiten, indem man mit offenem Geist durchs Leben geht und seine Vorurteile hinterfragt. Schwierig wird es, wenn man seine Vorurteile auf andere projiziert oder seine Handlungen nicht mehr unter Kontrolle hat und diese auf andere Personen anwendet. 

Das Programm der Aktionswoche finden Sie unter: www.rassismusberatung.gr.ch